"Es gibt nur eine Maxime - das ist die, daß man sich mit dem Tode befreunden muß." (Jünger, Strahlungen)

Donnerstag, 26. Juni 2008

C 616 (VI)

Dennoch: "Man muß sich so stark wie möglich beschäftigen, um das Leben auf dieser Erde erträglich zu machen. Je mehr ich zu Jahren komme, umso notwendiger erscheint mir die Arbeit. Auf die Dauer bereitet sie das größte Vergnügen und nimmt die Stelle der Illusionen des Lebens ein." (Voltaire)

Mittwoch, 25. Juni 2008

C 616 (V)

Ein weiterer Tag. Begegnung im Fahrstuhl. Ein alter Mann und zwei Bücklinge. Der Alte muss mindestens Referatsleiter sein, einer der „kleinen Könige“, vielleicht mehr als das. Reagiert mit angewidertem Blick auf den Eindringling, der ihn im Gespräch gestört haben muss. Der Adlatus fragt nach der gewünschten Etage und sieht dann wieder auf den Alten. Die Frau spricht weiter mit dem Alten und fragt nach seiner Einschätzung zu einem Sachverhalt. In ihrer Körperhaltung und der Stimme liegt größtmögliche Servilität. Das Eau de Cologne des Alten erfüllt die Kabine; es wird schwer zu atmen.

Später neueste Nachrichten zu einer hausinternen Farce. Der Schwanz wedelt mit dem Hund. Das müsste nicht sein, wenn die verantwortliche Instanz ein Machtwort spräche. Diese aber scheut die Entscheidung, denn es bedeutete, sich festzulegen und Verantwortung zu übernehmen – schlimmstenfalls gegen höhere Instanzen. Kein Zufall, dass es die Grundschullehrerin ist, die da zaudert. Geliehene Autorität.

Samstag, 21. Juni 2008

advocatus diaboli

Ankündigung des Suizids. Den advocatus diaboli spielen und für das Leben sprechen. Wie lässt sich jene letzte Freiheit leugnen, gar verbieten? Nur durch den Appell, wo er aufrichtig ist. Die Freiheit, den letzten Schritt ins Leere zu tun, bleibt immer ein Ausweg. Einsame Könige, Säufer und Laternenanzünder auf ihren zu kleinen Planeten könnten ihn gehen, ohne sich etwas vorwerfen zu müssen. Menschen aus Fleisch und Blut und mit einem pochenden Herzen dagegen machen es sich leicht. Die Zeche zahlen die Zurückgebliebenen, diejenigen, die mit der Leerstelle und der Frage leben müssen, was sie hätten tun können. – „Man erlebt alles und das Gegenteil.“

Donnerstag, 19. Juni 2008

C 616 (IV)

Haltung. Das weiße Hemd, der geschnürte Hals, die gerade Form – die Wirkung bleibt nicht aus. Der Vorzug der Uniform liegt in ihrer Außenwirkung: Der Mensch darin wird zum Typus, bekannt und leicht einzuordnen. Damit verbunden ein gewisser Vertrauensvorschuss. Gefährlich erst dann, wenn Uniform und Haltung verschmelzen, während das Rückgrat abbaut.

Donnerstag, 12. Juni 2008

C 616 (III)

Ein anderer Tag. Organigramme. Kästchen in Vertikale und Horizontale geschaltet; der Fluss von Informationen und Entscheidungen suggeriert Rationalität und Transparenz. Die andere Schicht bleibt unsichtbar. Hier regiert nicht die Organisationslogik, sondern der Mensch. Einflussnahme außerhalb der Dienstwege, Eitelkeiten, Partikularinteressen > „öffentliches Interesse“, Katzbuckelei, ordnungswidrige Ordre – mit einem Wort: „Politik“. Der Weg ist kurz von dem Streit über das erlegte Wild bis zu „Regierungsentscheidungen“.

Dienstag, 3. Juni 2008

C 616 (II)

Zweiter Tag. Präsentationen. Agenturen preisen Dunst an. Beachtlich der Ernst, mit dem sie das tun. Einfache Worte und Formen sind Millionen wert, wollen sie glauben machen. Träumer in Anzügen und Kostümen.

Montag, 2. Juni 2008

C 616 (I)

Erster Tag. Botengang zur Abteilungsleitung. An die Tür geklopft. Eine untersetzte Frau öffnet. Erinnert an eine gestrenge Grundschullehrerin, deren Autorität keine natürliche, sondern eine durch das Amt geliehene ist – nur Schulkinder müssen sie fürchten. „Aber das ist doch mein Büro! Warum gehen Sie nicht in mein Sekretariat?“ Die Frau ist für zwei Sekunden höchst verwundert. In ihren Augen so etwas wie Entsetzen über den dreisten Streich eines schlimmen Schülers, der die natürliche Ordnung durchschlägt. Dann ein erleichtertes Lächeln: „Sie sind bestimmt neu.“