"Es gibt nur eine Maxime - das ist die, daß man sich mit dem Tode befreunden muß." (Jünger, Strahlungen)

Mittwoch, 27. Februar 2008

Postcards of the hanging (I)

“[...]

And I probably should shave and dig myself out of this grave
But I can't go
No, not just yet

Mostly the nights they ain't half bad
It's the days that seem designed to drive you mad
Sometimes it feels like the end of the world


Yes it feels like the end of the world
Yes it feels like the end of the world
Yes it feels like the end of the world

So tonight in the bar of this hotel bazaar
I'll write some postcards and throw them away
And maybe someday I'll leave here
But the drinks, they are so cheap here
And somebody's always got to pay

And it feels like the end of the world
And it feels like the end of the world
Yes it feels like the end of the world
Yes it feels like the end of the world
Yes it feels like the end of the world”

(Firewater, “Feels like the end of the world”)

Mittwoch, 20. Februar 2008

Dilbert (II)

Aus dem Nebenzimmer dringt Gelächter. Die großen Kinder spielen wieder. Danach sprechen sie die Sprache, die keiner hier versteht. Programmierer, öfter und bezeichnender: Techniker. Ihre tatsächliche Leistung ist schwer zu bemessen, weil es keine verständige Kontrolle gibt. Sie genießen deshalb außergewöhnliche Freiheiten: Während ihrer Arbeitszeit stehen ihnen Videospiele und ein Kickerraum zur Verfügung. Dort findet man die 20- bis 50-Jährigen zumindest dreimal täglich. „Jungs“, nennt sie der Redaktionsleiter und wirkt wie ein Kindergärtner, wenn er ihr Toben wegen neuer Arbeit unterbricht. – Betrübliches Beispiel für die vielen Formen der Kontrolle.

Samstag, 16. Februar 2008

Lichtspiele (III)

Bahnhof Zoo, Pendler. Wie Aufziehmännchen, die ihre Teilstrecken ablaufen. An einigen Punkten bilden sich Reihen für die morgendliche Dosis Stimulantia. Es ist noch zu früh für Lärm, stattdessen Betriebsamkeit eines Ameisenbaus. An einem Knotenpunkt zwischen zwei Treppen steht ein Zeitungsverkäufer. Die rote Gestalt steht gerade, Passagiere weichen ihm aus. Keine Versuche, den Leuten die Zeitung anzubieten. Der Mann schläft.

Trotz ihrer widrigen Umstände haben die Lichtspiele einen Wert. Jeder Film ist Teil eines Prismas. Blicke auf die Welt, die noch keiner universalen Konvention angepasst wurden. Die Reisen in den Kinosälen führen in diesen Tagen weiter und an unzugängliche Orte. So in das Scheißhaus der Armut. Ein philippinischer Slum in „Tirador“. Seine Helden hausen, stehlen, kopulieren, fixen, hoffen und sterben im Dreck. Kein Moralin und volle Wirkung: Der Mensch ist ein Anpassungstier. Emblematische Szene: Eine junge Frau hat alles für ein Gebiss zusammengekratzt. Damit stolziert sie durch den Slum, lächelt unentwegt. Beim Abwasch fällt ihr das Gebiss in den Abfluss. Verzweifelt und vergeblich sucht sie es in einer Kloake vor dem Haus. Ihre Hand tastet in der Scheiße.

Mittwoch, 13. Februar 2008

Schnittpunkt

Zwei Strecken. Die eine die Vergangenheit. Eine kräftige Linie mit negativer Steigung. Mit jedem Blick wird die Linie nachgezogen und fetter. Die Unabänderlichkeit ihrer Richtung wird gewisser. Die andere Strecke ist die der Zukunft. Variable Steigung, hauchdünne Linie: Ein Produkt aus Einbildung und Wille. Der Schnittpunkt der beiden Strecken ist da, wo es blutet.

Sonntag, 10. Februar 2008

Lichtspiele (II)

Von der Ungleichheit der Menschen. Leicht zu begründen. Man braucht nur bunte Kärtchen und „Prioritäten“. Jeder hier bekommt eine Kennkarte. Rote, grüne, gelbe, blaue. Da, wo sich Schlangen bilden und der Einlass beschränkt ist, entscheidet die Farbe der Plastikkarte über den Rang des Menschen. Es reicht, die Karte hochzuhalten, die glücklicherweise rot ist, um an den Anderen vorbeizukommen. Das lächerliche Schauspiel hat dennoch viele Adepten. So erlebt man plötzlich, wie diese Karten auch dort getragen werden, wo sie nicht gebraucht werden und wie sie kleine Menschen größer erscheinen lassen. Das Lachen vergeht einem erst, wenn sich eine Kritikasterin und arrogante Kartokratin den Weg durch die Menge bahnt, mit dem roten Kärtchen wedelt und ruft: „Press! Press! Press!“. So werden also „Damen und Herren“ gemacht.

Donnerstag, 7. Februar 2008

Lichtspiele (I)

Er schläft und seine großen Hände ruhen auf den Knien. Jung, grobe Kleidung und lehmige Schuhe, große Hände mit hervortretenden Adern. Es ist spätnachmittags und ruhig im Regionalzug Richtung Berlin. Viele seiner Art sitzen hier, aber nur er sitzt gegenüber, den Kopf auf die Schulter geklappt und die Arme mit dicken, blauen Adern überzogen. Ein Lehrling, Maurer oder Kanalbauer vielleicht. Die Adern ziehen sich wie dicke Würmer unter der Haut. Die Arbeit dieser Hände muss anstrengend sein. Ihre Adern scheinen zu pochen. Wie eine stumme Anklage des Schlafenden.

Beginn der Lichtspiele. Köpfe aus aller Welt reisen an, um für zehn Tage bunte Leinwände, Glitzermenschen und schließlich sich selbst anzuglotzen. Viele von ihnen nennen das Arbeit und werden die Bedingungen beklagen, lange Wartezeiten, schmerzende Augen, Langeweile. Sie werden kritikastern und das zur Veröffentlichung um die ganze Welt schicken. Sie werden sich mit den Spielereien menschlichen Geistes und künstlicher Eitelkeiten beschäftigen, sich davon wie Parasiten nähren und danach die Sekundär- und Tertiärprodukte künstlerisch Impotenter ausscheiden. Und dann werden sie wieder fahren. Die Schläfer mit den anklagenden Händen aber werden bleiben.