"Es gibt nur eine Maxime - das ist die, daß man sich mit dem Tode befreunden muß." (Jünger, Strahlungen)

Samstag, 16. Februar 2008

Lichtspiele (III)

Bahnhof Zoo, Pendler. Wie Aufziehmännchen, die ihre Teilstrecken ablaufen. An einigen Punkten bilden sich Reihen für die morgendliche Dosis Stimulantia. Es ist noch zu früh für Lärm, stattdessen Betriebsamkeit eines Ameisenbaus. An einem Knotenpunkt zwischen zwei Treppen steht ein Zeitungsverkäufer. Die rote Gestalt steht gerade, Passagiere weichen ihm aus. Keine Versuche, den Leuten die Zeitung anzubieten. Der Mann schläft.

Trotz ihrer widrigen Umstände haben die Lichtspiele einen Wert. Jeder Film ist Teil eines Prismas. Blicke auf die Welt, die noch keiner universalen Konvention angepasst wurden. Die Reisen in den Kinosälen führen in diesen Tagen weiter und an unzugängliche Orte. So in das Scheißhaus der Armut. Ein philippinischer Slum in „Tirador“. Seine Helden hausen, stehlen, kopulieren, fixen, hoffen und sterben im Dreck. Kein Moralin und volle Wirkung: Der Mensch ist ein Anpassungstier. Emblematische Szene: Eine junge Frau hat alles für ein Gebiss zusammengekratzt. Damit stolziert sie durch den Slum, lächelt unentwegt. Beim Abwasch fällt ihr das Gebiss in den Abfluss. Verzweifelt und vergeblich sucht sie es in einer Kloake vor dem Haus. Ihre Hand tastet in der Scheiße.