"Es gibt nur eine Maxime - das ist die, daß man sich mit dem Tode befreunden muß." (Jünger, Strahlungen)

Samstag, 29. März 2008

Ihr Kinderlein, kommet!

S-Bahn, nachts. Lallen erfüllt die Leere des Abteils. Es kommt von einer jungen Frau, nicht älter als 20. Sie ist über einen Kinderwagen gebeugt, erbricht Wortklumpen über dem Bündel darin. Gelegentlich keift sie den Rüden an, der heftig an seiner Leine zieht. Das Kind quengelt, greift mit seinen Händchen nach dem roten Kopf der Mutter. Sie zieht eine offene Bierflasche hinter dem Wagen hervor. Kräftiger Zug. Dann reicht sie dem Kind die Flasche. „Mama hat dich lieb“, lallt sie, „Mami hat dich lieb“.

Eines von 1,4 Kindern pro Frau, das erste von vielen dieser da. Das Land braucht sie alle in seinen Fabriken, Büroräumen, Laboren, Hörsälen, Ämtern, Steuerregistern, Sozialversicherungen, Bevölkerungsstatistiken. Kinder sind seine Zukunft. In ihnen leben die Menschen fort. Die junge Frau dreht sich mit geschickter Gewohnheit eine Zigarette. An der nächsten Haltestelle steigt sie aus, das Kind weint. – Leb wohl, Glücklicher: Noch schlummert dein Bewusstsein.

Dienstag, 25. März 2008

Fortunate Son

It ain’t me! It ain’t me! I’m no senator’s son, Sir! It ain’t me! It ain’t me! I’m no fortunate one, no!”

Worte der Wut über die Ungleichheit unter den Gesetzesgleichen. Doch sind sie keine Klage, keine Verzweiflung. Im Gegenteil ist es der Stolz, nicht zu jenen zu gehören, deren Verdienst die glückliche Geburt ist. – Geburt verpflichtet hier wie da.

Samstag, 22. März 2008

Postcards of the hanging (II)

Senor, senor, you know their hearts is as hard as leather.
Well, give me a minute, let me get it together.
I just gotta pick myself up off the floor.
I'm ready when you are, senor.

Senor, senor, let's disconnect these cables,
Overturn these tables.
This place don't make sense to me no more.
Can you tell me what we're waiting for, senor?


(Dylan,
Senor)

Samstag, 1. März 2008

Dilbert (III)

Werte schaffen. Nach zwei Monaten stellen die Verantwortlichen fest, dass ein Teil des Projekts vergebliche Arbeit gewesen ist. Dem Beginn war keine klare Entscheidung vorangegangen. Dennoch glaubten alle Beteiligten, dass eine solche bestanden habe. Es waren nur drei. „Babylonisches Rauschen“, sagt einer von ihnen. Es ist der jüngste. Nur ihn ärgert der Vorfall.

Überhaupt ein interessanter Fall in zwei Momentaufnahmen. Vor fast zwei Jahren fing der Absolvent hier an. Begeistert und voller Elan, war er doch einer der wenigen, die in jenen schlechten Zeiten den Einstieg geschafft hatte. Fast zwei Jahre später ist er der oft der letzte, der das Büro verlässt, hat einige Kilogramm zugenommen und ist zuweilen krank. Aber selbst in seiner Abwesenheit arbeitet er für das Unternehmen, schreibt E-Mails vom Krankenbett und führt Telefonate auch am Sonntag. Überstunden werden nicht bezahlt, der Lohn ist vergleichsweise bescheiden. Selbstausbeutung setzt also keine außerordentlichen finanziellen Anreize voraus.