"Es gibt nur eine Maxime - das ist die, daß man sich mit dem Tode befreunden muß." (Jünger, Strahlungen)

Donnerstag, 24. Juni 2010

Montag, 7. Juni 2010

Sonntag, 30. Mai 2010

Samstag, 15. Mai 2010

Vor der Stahltür (II)

Die Welt hinter der Tür – wen will man über ihre Mängel täuschen? Wem will man von der absurden Haltung des Zweckoptismus' überzeugen? Wem weismachen, dass man da draußen etwas anderes finden könnte als das, was man sehen möchte?

Auf der anderen Seite der Tür dagegen ist Sicherheit – zu verzweifeln, vergessen, verspotten. Eine selbst geschaffene Villa am Abgrund: schön, aber ohne Perspektive.

"Well it's a pretty bad place outside this door
I could go out there but I don't see what for
And I'm happy living here in the dark
On the edge of my mind
And it's nobody else's business
Now it's just me myself and the secrets that live within the walls"

(Eels, Mansions Of Los Feliz)

Freitag, 7. Mai 2010

Diplomatie des Schweigens

"Le Palace", mittlerer Konferenzraum. Holzstühle, wie Requisiten aus einem Kostümfilm, und eine Tischanordnung, die Kommunikation erschwert. Die hohen Vertreter sind schon da, Bürokraten aus ganz Europa. Die meisten von ihnen werden in den nächsten Stunden schweigen. Sie werden sich nur mit ihrem Begleiter unterhalten und Kaffee aus den Automaten im Vorraum trinken. Dieweil redet ein ungewohntes Kerneuropa unentwegt: Moderiert von Eurokraten halten "France", "Netherlands", "Spain" und "Austria" lange Monologe. Namen gibt es hier nur für externe Sprecher. "Consider" und "regard" sind die Verben der langen Stunden, in denen das beständige Gemurmel der Simultanübersetzer in den Schlummer lullt. Die Diplomatie der Eurokraten duldet alle Belanglosigkeiten der Bürokraten, es scheint fast: fördert diese, damit wichtige Fragen oder gar Entscheidungen nicht zur Sprache kommen. Wo dies doch gelingt, wiegeln die drei Eurokraten – ausgerechnet Briten – vollendet ab. Vielleicht ist Schweigen hier tatsächlich Gold.

***
Nachts zurück, durch eine fast sommerlich-ausgelassene Stadt. Die Sinne betäubt und angetrieben von der inneren Gewissheit, seinen Teil getan zu haben. Vorbei an lauter Musik, Gelächter, Pöbel und Pöbelei – wie weit entfernt und nutzlos das in dem Moment ist. Wie verschwindend gering gegen den Rausch getaner Arbeit.

Mittwoch, 5. Mai 2010

Legebatterie (I)

Ein paar ehemalige Wohnräume, Computer, ein Drucker, viele junge Mitarbeiter: so sieht ein Think Tank von Innen aus. Die alte Dame mit der Katze wird kaum wissen, was diese Jungen dort machen. "Expertenwissen" generieren, schnell und billig. Eine intellektuelle Legebatterie, in der unter Druck und widrigen Bedingungen das nächste Ei gelegt werden soll. Dem Kunden wird die Qualität des gekauften Eierkuchens nicht auffallen; er isst ihn eh nicht. Manchmal wird die Schachtel nicht einmal geöffnet.

Montag, 3. Mai 2010

Negativ

Auf dem Fahrrad, vorbei an Passanten und Autos. Im Ohr Buchbesprechungen. Vorne laufen zwei bei Rot über die Ampel. Aktuelles Buch: „Ways of Staying“, eine verzweifelte Liebeserklärung an Südafrika. Glasscherben auf dem Radweg, abbremsen. Beispiele für die Verbrechen, meist unter Drogen. Der Kioskbesitzer schwatzt wild gestikulierend ins Telefon. Ein Medizin-Professor und seine Familie werden überfallen, die Tochter vergewaltigt. Einer schläft in der vorbeisurrenden Tram. Der Täter sagt ihr, er sei HIV-positiv.

Die Straße, die Menschen, die Lichter – weg. Es bleibt nur das unerträgliche Negativ einer widerwärtigen Welt. Das sind Momente, in denen der Zweckoptimismus bröckelt; das Fundament sieht anders aus.

Freitag, 9. April 2010

BF

Elite, "Ausgewählte". Die Bedeutung liegt in der Auswahl, darin zugleich die Crux. Die "Reproduktion von Eliten" ist eine unliebsame Altlast. Die politische Korrektheit duldet nicht die lupenrein meritokratischen Kriterien, mit denen der Nachwuchs rekrutiert wird. So ist man nach Jahren der Willkür zu einer "policy" gekommen. Bewerber aus dem Volk, dem man dem Namen nach verpflichtet ist, werden gesondert erfasst. Ihre Bewerbungsmappen werden gekennzeichnet mit "BF": bildungsfern.

Donnerstag, 8. April 2010

Der Gelehrte

Der Anzug flattert an seinem fragilen Körper, ein knabenhaftes Gesicht unter schütterem Haar. Lakonisch sagt er: „Ich bin dann Ihr Abendprogramm.“ Trockener Humor. „Trinken“ sagt er, ehe er beginnt; Gelächter. Loriot? Nein, Rousseau. Vortrag über diesen, vermehrt um Ausführungen zu Manderville und Fichte und unter Berücksichtigung der Diskurse zwischen denselben. Ferner die Rolle des Gelehrten. Die Erzählung führt zurück in das 18. Jahrhundert, umkreist aber das Selbstverständnis der Anwesenden. Ein subtiler Gegenwartskommentar, gebrochen durch harmlos wirkende historische Quisquilien.

Sonntag, 4. April 2010

Vor der Stahltür (I)

Wieder die schwere Tür, die dem Klang die Farbe nimmt, dem Licht die Wärme. Schon ihr Anblick lässt jeden Willen verrinnen. Doch dieses Mal auf der anderen Seite. Anklopfen, zureden, von der Welt hinter der Tür erzählen – Priester des Lebens sein, obwohl der Unglaube bereits im Namen eingeschrieben ist. Aber auch das reicht am Ende nicht: die Tür kann nur von innen geöffnet werden.

Donnerstag, 18. Februar 2010

Andere Sitten III


Es gibt keine Regel, die nicht Reaktion auf eine kleine Tragödie wäre.

Mittwoch, 17. Februar 2010

In der Registratur der Geschichte

Gedanke, welchen Eindruck diese Türme nach ihrer Erbauung gemacht haben müssen. Wie die Zeitgenossen den Aufstieg der „Neuen Welt“ hier beobachten konnten, Stein um Stein. Die dunklen Riesen heute sind davon nur noch ein Abglanz. Längst stehen anderswo noch größere Türme, werden weitere gebaut. Eindruck, in einer riesigen Registratur zu stehen.


Dieser Eindruck wird tiefer am 'Ground Zero'. Eine riesige Baustelle, die das Ausmaß der Anschläge begehbar macht. Später sagt ein New Yorker, dass die Leute hier noch immer an den Folgen litten. Nicht im abstrakten Sinn. Ganz real sterben Menschen an den Spätfolgen, Krebs infolge der freigesetzten Schadstoffe. Polizisten, Feuerwehrmänner, Putzpersonal, aber auch jene "Herren des Universums".

Obwohl hier nicht mehr als eine Baustelle ist, kommen viele Besucher. Jeder Tourist spricht nur über das eine Thema, noch immer. Überall fotografieren sie die Leere – ja, da haben sie gestanden. Die Polizisten, die hier Dienst tun, sehen mit Verachtung und Missbehagen auf die Fotografen. Am Ende kommen die Touristen, immer.

Dienstag, 16. Februar 2010

Andere Sitten II

Die Verlassenen, Vergessen, Verrückten im Untergrund. Hier krächzt eine Passagen aus der Bibel, während Taube an ihr vorbei eilen. Dort steht einer bei voller Fahrt auf, schlägt auf unsichtbare Feinde ein und setzt sich wieder. Und immer wieder die Obdachlosen, die stehend oder unter Dreck Gerümpel schlafen, apathisch starren oder schreien. Einer steigt in die Metro, mit lautem Klageschrei: „People, don't ya hav' a heart!“ Lange Pause. Dann zieht er seine Runde, nimmt alles, was man ihm gibt. Die Ausbeute bleibt karg.

Andere Sitten I

Ankunft La Guardia. Durchsage im Bus: „Remember: Assaulting a bus driver is a fellony and will be prosecuted.“ Es ist die gleiche Stimme, die rät, sich gut festzuhalten und beim Ausstieg vorsichtig zu sein. Die gleiche Gleichgültigkeit, mit der die Passagiere reagieren.

Freitag, 12. Februar 2010

Land of plenty

Toronto. Hotels, Restaurants, Cafés, Universitäten – überall die gleiche Bedenkenlosigkeit, mit der Energie und Rohstoffe verbraucht werden. Nur ein Weg: nutzen und wegwerfen. Selbst die Zugangskarte für das Zimmer ist Einweg. Der Akademiker, Vertreter der „Nachhaltigkeit“,dazu: „We have a contempt for our environment.“ Der Satz ist nur halb ironisch. Ein anderer: „What would you do?“