Heimfahrten, nicht nur Orte, auch Zeiten. Jedes Mal die beklemmende Erkenntnis früherer Grenzen, die das Leben des Kindes wie des Jugendlichen markierten. Leise Genugtuung über die geglückte Flucht; heute verrotten die Betonblöcke, die damals den Horizont säumten. Doch dann eine Erkenntnis: Was, wenn diese scheinbare Freiheit des Ausgenblicks nichts weiter als ein weiterer Käfig ist? Wenn im Rückblick das Alters-Ego traurig den Kopf schütteln wird über die kleine Welt des Heimfahrers? Was, wenn die Ketten noch immer an den Beinen klirren, aber sie nicht mehr zu hören sind?
***
Diese alte Frau war einst ein Leuchtturm in jener Welt. Nun leuchtet er mit jedem Tag etwas schwächer.
Sie wird den Besuch heute vergessen, wie sie die Wochentage vergessen hat, die Telefonnummern und bald die wenigen Namen der Überlebenden. Die Insel ihrer Erinnerungen wird immer kleiner; sie lebt von dem Strandgut eines untergegangenen Lebens.
Reststrahlungen
"Es gibt nur eine Maxime - das ist die, daß man sich mit dem Tode befreunden muß." (Jünger, Strahlungen)
Donnerstag, 31. März 2011
Donnerstag, 24. Juni 2010
Montag, 7. Juni 2010
Sonntag, 30. Mai 2010
Samstag, 15. Mai 2010
Vor der Stahltür (II)
Die Welt hinter der Tür – wen will man über ihre Mängel täuschen? Wem will man von der absurden Haltung des Zweckoptismus' überzeugen? Wem weismachen, dass man da draußen etwas anderes finden könnte als das, was man sehen möchte?
Auf der anderen Seite der Tür dagegen ist Sicherheit – zu verzweifeln, vergessen, verspotten. Eine selbst geschaffene Villa am Abgrund: schön, aber ohne Perspektive.
"Well it's a pretty bad place outside this door
I could go out there but I don't see what for
And I'm happy living here in the dark
On the edge of my mind
And it's nobody else's business
Now it's just me myself and the secrets that live within the walls"
(Eels, Mansions Of Los Feliz)
Auf der anderen Seite der Tür dagegen ist Sicherheit – zu verzweifeln, vergessen, verspotten. Eine selbst geschaffene Villa am Abgrund: schön, aber ohne Perspektive.
"Well it's a pretty bad place outside this door
I could go out there but I don't see what for
And I'm happy living here in the dark
On the edge of my mind
And it's nobody else's business
Now it's just me myself and the secrets that live within the walls"
(Eels, Mansions Of Los Feliz)
Freitag, 7. Mai 2010
Diplomatie des Schweigens
"Le Palace", mittlerer Konferenzraum. Holzstühle, wie Requisiten aus einem Kostümfilm, und eine Tischanordnung, die Kommunikation erschwert. Die hohen Vertreter sind schon da, Bürokraten aus ganz Europa. Die meisten von ihnen werden in den nächsten Stunden schweigen. Sie werden sich nur mit ihrem Begleiter unterhalten und Kaffee aus den Automaten im Vorraum trinken. Dieweil redet ein ungewohntes Kerneuropa unentwegt: Moderiert von Eurokraten halten "France", "Netherlands", "Spain" und "Austria" lange Monologe. Namen gibt es hier nur für externe Sprecher. "Consider" und "regard" sind die Verben der langen Stunden, in denen das beständige Gemurmel der Simultanübersetzer in den Schlummer lullt. Die Diplomatie der Eurokraten duldet alle Belanglosigkeiten der Bürokraten, es scheint fast: fördert diese, damit wichtige Fragen oder gar Entscheidungen nicht zur Sprache kommen. Wo dies doch gelingt, wiegeln die drei Eurokraten – ausgerechnet Briten – vollendet ab. Vielleicht ist Schweigen hier tatsächlich Gold.
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Nachts zurück, durch eine fast sommerlich-ausgelassene Stadt. Die Sinne betäubt und angetrieben von der inneren Gewissheit, seinen Teil getan zu haben. Vorbei an lauter Musik, Gelächter, Pöbel und Pöbelei – wie weit entfernt und nutzlos das in dem Moment ist. Wie verschwindend gering gegen den Rausch getaner Arbeit.
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Nachts zurück, durch eine fast sommerlich-ausgelassene Stadt. Die Sinne betäubt und angetrieben von der inneren Gewissheit, seinen Teil getan zu haben. Vorbei an lauter Musik, Gelächter, Pöbel und Pöbelei – wie weit entfernt und nutzlos das in dem Moment ist. Wie verschwindend gering gegen den Rausch getaner Arbeit.
Mittwoch, 5. Mai 2010
Legebatterie (I)
Ein paar ehemalige Wohnräume, Computer, ein Drucker, viele junge Mitarbeiter: so sieht ein Think Tank von Innen aus. Die alte Dame mit der Katze wird kaum wissen, was diese Jungen dort machen. "Expertenwissen" generieren, schnell und billig. Eine intellektuelle Legebatterie, in der unter Druck und widrigen Bedingungen das nächste Ei gelegt werden soll. Dem Kunden wird die Qualität des gekauften Eierkuchens nicht auffallen; er isst ihn eh nicht. Manchmal wird die Schachtel nicht einmal geöffnet.
Montag, 3. Mai 2010
Negativ
Auf dem Fahrrad, vorbei an Passanten und Autos. Im Ohr Buchbesprechungen. Vorne laufen zwei bei Rot über die Ampel. Aktuelles Buch: „Ways of Staying“, eine verzweifelte Liebeserklärung an Südafrika. Glasscherben auf dem Radweg, abbremsen. Beispiele für die Verbrechen, meist unter Drogen. Der Kioskbesitzer schwatzt wild gestikulierend ins Telefon. Ein Medizin-Professor und seine Familie werden überfallen, die Tochter vergewaltigt. Einer schläft in der vorbeisurrenden Tram. Der Täter sagt ihr, er sei HIV-positiv.
Die Straße, die Menschen, die Lichter – weg. Es bleibt nur das unerträgliche Negativ einer widerwärtigen Welt. Das sind Momente, in denen der Zweckoptimismus bröckelt; das Fundament sieht anders aus.
Die Straße, die Menschen, die Lichter – weg. Es bleibt nur das unerträgliche Negativ einer widerwärtigen Welt. Das sind Momente, in denen der Zweckoptimismus bröckelt; das Fundament sieht anders aus.
Freitag, 9. April 2010
BF
Elite, "Ausgewählte". Die Bedeutung liegt in der Auswahl, darin zugleich die Crux. Die "Reproduktion von Eliten" ist eine unliebsame Altlast. Die politische Korrektheit duldet nicht die lupenrein meritokratischen Kriterien, mit denen der Nachwuchs rekrutiert wird. So ist man nach Jahren der Willkür zu einer "policy" gekommen. Bewerber aus dem Volk, dem man dem Namen nach verpflichtet ist, werden gesondert erfasst. Ihre Bewerbungsmappen werden gekennzeichnet mit "BF": bildungsfern.
Donnerstag, 8. April 2010
Der Gelehrte
Der Anzug flattert an seinem fragilen Körper, ein knabenhaftes Gesicht unter schütterem Haar. Lakonisch sagt er: „Ich bin dann Ihr Abendprogramm.“ Trockener Humor. „Trinken“ sagt er, ehe er beginnt; Gelächter. Loriot? Nein, Rousseau. Vortrag über diesen, vermehrt um Ausführungen zu Manderville und Fichte und unter Berücksichtigung der Diskurse zwischen denselben. Ferner die Rolle des Gelehrten. Die Erzählung führt zurück in das 18. Jahrhundert, umkreist aber das Selbstverständnis der Anwesenden. Ein subtiler Gegenwartskommentar, gebrochen durch harmlos wirkende historische Quisquilien.
Sonntag, 4. April 2010
Vor der Stahltür (I)
Wieder die schwere Tür, die dem Klang die Farbe nimmt, dem Licht die Wärme. Schon ihr Anblick lässt jeden Willen verrinnen. Doch dieses Mal auf der anderen Seite. Anklopfen, zureden, von der Welt hinter der Tür erzählen – Priester des Lebens sein, obwohl der Unglaube bereits im Namen eingeschrieben ist. Aber auch das reicht am Ende nicht: die Tür kann nur von innen geöffnet werden.
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