"Es gibt nur eine Maxime - das ist die, daß man sich mit dem Tode befreunden muß." (Jünger, Strahlungen)

Donnerstag, 25. September 2008

Berufskleidung

Durch die Stadt. Am Zoo der Rest eines Menschen. Wie ein Zombie geht er den Vorplatz ab. Verschlissen, verdreckt, strenger Geruch; die Sonnenbrille auf dem verwitterten Gesicht verleiht falsche Ironie. Beugt sich über einen Papierkorb, um darin nach Restwerten zu suchen. Sein bloßes Gesäß, an dem die Anderen vorbeigehen. Naserümpfen, Lachen, verlegene Blicke. - An solchen Orten ist die Schutzmaske Pflicht; zugleich macht sie das Leben hier noch unwirtlicher.

Mittwoch, 27. August 2008

Schlummer

Gespräch über das Schreiben im weitesten Sinne. Einvernehmen, dass es schwierig sei, eine Beständigkeit darin zu finden. Die größten Feinde heißen Alltag und Glück. Lähmend in dieser Kombination. Die Gewohnheit nimmt das Denken ab, anstelle des freien Denkens "über" tritt das begrenzte Denken "für". Was übrig bleibt, verrinnt im privaten Glück.

Umso kostbarer Begegnungen wie diese. Sie sind nicht nur Erinnerungen an Zeiten, in denen mehr möglich schien. Sie sind auch Fugen, die mit Leben gefüllt werden können.

Freitag, 1. August 2008

C 616 (VIII)

Von der Freude der Pflichterfüllung: Lob. Und Lohn: Die Aussicht, ein Teilchen dieser Funktion werden zu können. Das bewährte Subjekt bereit zur Selbstaufgabe? Es gab einmal andere Kategorien, andere Maßstäbe. Sind sind noch nicht vergessen.

Donnerstag, 24. Juli 2008

Retrogeschichte

Ein Einzelner lockt 200.000 für eine 30-minütige Rede. Es gibt auch heute kein Heilmittel gegen die Charismatiker. Der Wunsch nach dem historischen Moment bringt willige Statisten hervor, die sich als Kulisse für einen Kandidaten hergeben. Doch noch im Wunsche die Wiederholung: Jeder giert nach jenen berühmten Worten, als das Geschehen in dieser Stadt Geschichte machte. Heute reicht es nur noch für großpixelige Retrogeschichte.

Dienstag, 1. Juli 2008

C 616 (VII)

Am Anfang war es Ernüchterung - doch „Staatsdienst“ ist ein Wort des 19. Jahrhunderts. Darauf folgte die Belustigung: Satire ist hier ein leichtes Genre. Dann der Zynismus: Nach ein paar Jahren entwickelt man eben eine gesunde Gelassenheit – wovon man dann gelassen hat? Endlich die Blindheit: Man erledigt seine Arbeit, was es auch sei.

Donnerstag, 26. Juni 2008

C 616 (VI)

Dennoch: "Man muß sich so stark wie möglich beschäftigen, um das Leben auf dieser Erde erträglich zu machen. Je mehr ich zu Jahren komme, umso notwendiger erscheint mir die Arbeit. Auf die Dauer bereitet sie das größte Vergnügen und nimmt die Stelle der Illusionen des Lebens ein." (Voltaire)

Mittwoch, 25. Juni 2008

C 616 (V)

Ein weiterer Tag. Begegnung im Fahrstuhl. Ein alter Mann und zwei Bücklinge. Der Alte muss mindestens Referatsleiter sein, einer der „kleinen Könige“, vielleicht mehr als das. Reagiert mit angewidertem Blick auf den Eindringling, der ihn im Gespräch gestört haben muss. Der Adlatus fragt nach der gewünschten Etage und sieht dann wieder auf den Alten. Die Frau spricht weiter mit dem Alten und fragt nach seiner Einschätzung zu einem Sachverhalt. In ihrer Körperhaltung und der Stimme liegt größtmögliche Servilität. Das Eau de Cologne des Alten erfüllt die Kabine; es wird schwer zu atmen.

Später neueste Nachrichten zu einer hausinternen Farce. Der Schwanz wedelt mit dem Hund. Das müsste nicht sein, wenn die verantwortliche Instanz ein Machtwort spräche. Diese aber scheut die Entscheidung, denn es bedeutete, sich festzulegen und Verantwortung zu übernehmen – schlimmstenfalls gegen höhere Instanzen. Kein Zufall, dass es die Grundschullehrerin ist, die da zaudert. Geliehene Autorität.

Samstag, 21. Juni 2008

advocatus diaboli

Ankündigung des Suizids. Den advocatus diaboli spielen und für das Leben sprechen. Wie lässt sich jene letzte Freiheit leugnen, gar verbieten? Nur durch den Appell, wo er aufrichtig ist. Die Freiheit, den letzten Schritt ins Leere zu tun, bleibt immer ein Ausweg. Einsame Könige, Säufer und Laternenanzünder auf ihren zu kleinen Planeten könnten ihn gehen, ohne sich etwas vorwerfen zu müssen. Menschen aus Fleisch und Blut und mit einem pochenden Herzen dagegen machen es sich leicht. Die Zeche zahlen die Zurückgebliebenen, diejenigen, die mit der Leerstelle und der Frage leben müssen, was sie hätten tun können. – „Man erlebt alles und das Gegenteil.“

Donnerstag, 19. Juni 2008

C 616 (IV)

Haltung. Das weiße Hemd, der geschnürte Hals, die gerade Form – die Wirkung bleibt nicht aus. Der Vorzug der Uniform liegt in ihrer Außenwirkung: Der Mensch darin wird zum Typus, bekannt und leicht einzuordnen. Damit verbunden ein gewisser Vertrauensvorschuss. Gefährlich erst dann, wenn Uniform und Haltung verschmelzen, während das Rückgrat abbaut.

Donnerstag, 12. Juni 2008

C 616 (III)

Ein anderer Tag. Organigramme. Kästchen in Vertikale und Horizontale geschaltet; der Fluss von Informationen und Entscheidungen suggeriert Rationalität und Transparenz. Die andere Schicht bleibt unsichtbar. Hier regiert nicht die Organisationslogik, sondern der Mensch. Einflussnahme außerhalb der Dienstwege, Eitelkeiten, Partikularinteressen > „öffentliches Interesse“, Katzbuckelei, ordnungswidrige Ordre – mit einem Wort: „Politik“. Der Weg ist kurz von dem Streit über das erlegte Wild bis zu „Regierungsentscheidungen“.

Dienstag, 3. Juni 2008

C 616 (II)

Zweiter Tag. Präsentationen. Agenturen preisen Dunst an. Beachtlich der Ernst, mit dem sie das tun. Einfache Worte und Formen sind Millionen wert, wollen sie glauben machen. Träumer in Anzügen und Kostümen.

Montag, 2. Juni 2008

C 616 (I)

Erster Tag. Botengang zur Abteilungsleitung. An die Tür geklopft. Eine untersetzte Frau öffnet. Erinnert an eine gestrenge Grundschullehrerin, deren Autorität keine natürliche, sondern eine durch das Amt geliehene ist – nur Schulkinder müssen sie fürchten. „Aber das ist doch mein Büro! Warum gehen Sie nicht in mein Sekretariat?“ Die Frau ist für zwei Sekunden höchst verwundert. In ihren Augen so etwas wie Entsetzen über den dreisten Streich eines schlimmen Schülers, der die natürliche Ordnung durchschlägt. Dann ein erleichtertes Lächeln: „Sie sind bestimmt neu.“

Samstag, 3. Mai 2008

Donnerstag, 1. Mai 2008

Freitag, 25. April 2008

Kieselsteine (I)

Moralist: Kennt Charaktere, aber keine Menschen.

Pessimist: Weil er in seinen sauren Apfel gebissen hat, hasst er den ganzen Baum.

Misanthrop: Hasst die Anderen, weil ihnen ihre Äpfel schmecken.

Dienstag, 22. April 2008

Latein

studere = sich bemühen

Montag, 21. April 2008

Schlacke

“The fire's gone out but the light is never dying”. Rätselbild. Was leuchtet, nachdem das Feuer erloschen ist? Es wird, damit das Bild stimmt, ein und dasselbe gewesen sein müssen, von dem das Feuer zunächst zehrte und das anschließend noch leuchtet. Mögliche Antwort: Schlacke, die langsam ausglüht. Es kommt nun auf das Material an, aus dem sie gemacht ist. Vielleicht lässt sich damit noch etwas anfangen.

Donnerstag, 17. April 2008

Mehr Dunst

St. Oberholz, Rosenthaler Platz. Berüchtigter Treffpunkt des städtischen Prekariats und guter Beobachtungsstand, um digitale Nomaden zu studieren. Das freie Funknetz ist nur ein Grund für ihre Anwesenheit, wenn man so will die Basis. Der lifestyle, das Arbeiten und Leben zwischen Laptop, Latte Macchiato und google, ist der andere Grund, der Überbau einer Lebensweise, die den Eindruck mindestens ebenso hoch wie die dahinter stehenden Substanz schätzt. Ein guter Ort, um sich mit der Welt auf 12 bis 15 Zoll Bildschirmdiagonale zu beschäftigen und dabei weder allein zu sein noch auf die Atmosphäre des Bedeutenden verzichten zu müssen.

Freitag, 4. April 2008

Dienstag, 1. April 2008

Dilbert (IV)

Auswirkungen auf die Sprache: Eindringen der Phrase. Die Suche ist nicht mehr auf das Besondere und Bezeichnende, sondern den Allgemeinplatz und die Verneblung gerichtet. Masse verhindert Klasse, die in diesem Metier Verschwendung wäre. Die Entfremdung vom Produkt ist nicht zu bedauern, sondern eine notwendige Immunisierung.


Über einen mittelalterlichen Bader hieß es auf seinem Grabstein: fumum vendidi. Zu seinem Glück hat sich nur der Stein erhalten.

Samstag, 29. März 2008

Ihr Kinderlein, kommet!

S-Bahn, nachts. Lallen erfüllt die Leere des Abteils. Es kommt von einer jungen Frau, nicht älter als 20. Sie ist über einen Kinderwagen gebeugt, erbricht Wortklumpen über dem Bündel darin. Gelegentlich keift sie den Rüden an, der heftig an seiner Leine zieht. Das Kind quengelt, greift mit seinen Händchen nach dem roten Kopf der Mutter. Sie zieht eine offene Bierflasche hinter dem Wagen hervor. Kräftiger Zug. Dann reicht sie dem Kind die Flasche. „Mama hat dich lieb“, lallt sie, „Mami hat dich lieb“.

Eines von 1,4 Kindern pro Frau, das erste von vielen dieser da. Das Land braucht sie alle in seinen Fabriken, Büroräumen, Laboren, Hörsälen, Ämtern, Steuerregistern, Sozialversicherungen, Bevölkerungsstatistiken. Kinder sind seine Zukunft. In ihnen leben die Menschen fort. Die junge Frau dreht sich mit geschickter Gewohnheit eine Zigarette. An der nächsten Haltestelle steigt sie aus, das Kind weint. – Leb wohl, Glücklicher: Noch schlummert dein Bewusstsein.

Dienstag, 25. März 2008

Fortunate Son

It ain’t me! It ain’t me! I’m no senator’s son, Sir! It ain’t me! It ain’t me! I’m no fortunate one, no!”

Worte der Wut über die Ungleichheit unter den Gesetzesgleichen. Doch sind sie keine Klage, keine Verzweiflung. Im Gegenteil ist es der Stolz, nicht zu jenen zu gehören, deren Verdienst die glückliche Geburt ist. – Geburt verpflichtet hier wie da.

Samstag, 22. März 2008

Postcards of the hanging (II)

Senor, senor, you know their hearts is as hard as leather.
Well, give me a minute, let me get it together.
I just gotta pick myself up off the floor.
I'm ready when you are, senor.

Senor, senor, let's disconnect these cables,
Overturn these tables.
This place don't make sense to me no more.
Can you tell me what we're waiting for, senor?


(Dylan,
Senor)

Samstag, 1. März 2008

Dilbert (III)

Werte schaffen. Nach zwei Monaten stellen die Verantwortlichen fest, dass ein Teil des Projekts vergebliche Arbeit gewesen ist. Dem Beginn war keine klare Entscheidung vorangegangen. Dennoch glaubten alle Beteiligten, dass eine solche bestanden habe. Es waren nur drei. „Babylonisches Rauschen“, sagt einer von ihnen. Es ist der jüngste. Nur ihn ärgert der Vorfall.

Überhaupt ein interessanter Fall in zwei Momentaufnahmen. Vor fast zwei Jahren fing der Absolvent hier an. Begeistert und voller Elan, war er doch einer der wenigen, die in jenen schlechten Zeiten den Einstieg geschafft hatte. Fast zwei Jahre später ist er der oft der letzte, der das Büro verlässt, hat einige Kilogramm zugenommen und ist zuweilen krank. Aber selbst in seiner Abwesenheit arbeitet er für das Unternehmen, schreibt E-Mails vom Krankenbett und führt Telefonate auch am Sonntag. Überstunden werden nicht bezahlt, der Lohn ist vergleichsweise bescheiden. Selbstausbeutung setzt also keine außerordentlichen finanziellen Anreize voraus.

Mittwoch, 27. Februar 2008

Postcards of the hanging (I)

“[...]

And I probably should shave and dig myself out of this grave
But I can't go
No, not just yet

Mostly the nights they ain't half bad
It's the days that seem designed to drive you mad
Sometimes it feels like the end of the world


Yes it feels like the end of the world
Yes it feels like the end of the world
Yes it feels like the end of the world

So tonight in the bar of this hotel bazaar
I'll write some postcards and throw them away
And maybe someday I'll leave here
But the drinks, they are so cheap here
And somebody's always got to pay

And it feels like the end of the world
And it feels like the end of the world
Yes it feels like the end of the world
Yes it feels like the end of the world
Yes it feels like the end of the world”

(Firewater, “Feels like the end of the world”)

Mittwoch, 20. Februar 2008

Dilbert (II)

Aus dem Nebenzimmer dringt Gelächter. Die großen Kinder spielen wieder. Danach sprechen sie die Sprache, die keiner hier versteht. Programmierer, öfter und bezeichnender: Techniker. Ihre tatsächliche Leistung ist schwer zu bemessen, weil es keine verständige Kontrolle gibt. Sie genießen deshalb außergewöhnliche Freiheiten: Während ihrer Arbeitszeit stehen ihnen Videospiele und ein Kickerraum zur Verfügung. Dort findet man die 20- bis 50-Jährigen zumindest dreimal täglich. „Jungs“, nennt sie der Redaktionsleiter und wirkt wie ein Kindergärtner, wenn er ihr Toben wegen neuer Arbeit unterbricht. – Betrübliches Beispiel für die vielen Formen der Kontrolle.

Samstag, 16. Februar 2008

Lichtspiele (III)

Bahnhof Zoo, Pendler. Wie Aufziehmännchen, die ihre Teilstrecken ablaufen. An einigen Punkten bilden sich Reihen für die morgendliche Dosis Stimulantia. Es ist noch zu früh für Lärm, stattdessen Betriebsamkeit eines Ameisenbaus. An einem Knotenpunkt zwischen zwei Treppen steht ein Zeitungsverkäufer. Die rote Gestalt steht gerade, Passagiere weichen ihm aus. Keine Versuche, den Leuten die Zeitung anzubieten. Der Mann schläft.

Trotz ihrer widrigen Umstände haben die Lichtspiele einen Wert. Jeder Film ist Teil eines Prismas. Blicke auf die Welt, die noch keiner universalen Konvention angepasst wurden. Die Reisen in den Kinosälen führen in diesen Tagen weiter und an unzugängliche Orte. So in das Scheißhaus der Armut. Ein philippinischer Slum in „Tirador“. Seine Helden hausen, stehlen, kopulieren, fixen, hoffen und sterben im Dreck. Kein Moralin und volle Wirkung: Der Mensch ist ein Anpassungstier. Emblematische Szene: Eine junge Frau hat alles für ein Gebiss zusammengekratzt. Damit stolziert sie durch den Slum, lächelt unentwegt. Beim Abwasch fällt ihr das Gebiss in den Abfluss. Verzweifelt und vergeblich sucht sie es in einer Kloake vor dem Haus. Ihre Hand tastet in der Scheiße.

Mittwoch, 13. Februar 2008

Schnittpunkt

Zwei Strecken. Die eine die Vergangenheit. Eine kräftige Linie mit negativer Steigung. Mit jedem Blick wird die Linie nachgezogen und fetter. Die Unabänderlichkeit ihrer Richtung wird gewisser. Die andere Strecke ist die der Zukunft. Variable Steigung, hauchdünne Linie: Ein Produkt aus Einbildung und Wille. Der Schnittpunkt der beiden Strecken ist da, wo es blutet.

Sonntag, 10. Februar 2008

Lichtspiele (II)

Von der Ungleichheit der Menschen. Leicht zu begründen. Man braucht nur bunte Kärtchen und „Prioritäten“. Jeder hier bekommt eine Kennkarte. Rote, grüne, gelbe, blaue. Da, wo sich Schlangen bilden und der Einlass beschränkt ist, entscheidet die Farbe der Plastikkarte über den Rang des Menschen. Es reicht, die Karte hochzuhalten, die glücklicherweise rot ist, um an den Anderen vorbeizukommen. Das lächerliche Schauspiel hat dennoch viele Adepten. So erlebt man plötzlich, wie diese Karten auch dort getragen werden, wo sie nicht gebraucht werden und wie sie kleine Menschen größer erscheinen lassen. Das Lachen vergeht einem erst, wenn sich eine Kritikasterin und arrogante Kartokratin den Weg durch die Menge bahnt, mit dem roten Kärtchen wedelt und ruft: „Press! Press! Press!“. So werden also „Damen und Herren“ gemacht.

Donnerstag, 7. Februar 2008

Lichtspiele (I)

Er schläft und seine großen Hände ruhen auf den Knien. Jung, grobe Kleidung und lehmige Schuhe, große Hände mit hervortretenden Adern. Es ist spätnachmittags und ruhig im Regionalzug Richtung Berlin. Viele seiner Art sitzen hier, aber nur er sitzt gegenüber, den Kopf auf die Schulter geklappt und die Arme mit dicken, blauen Adern überzogen. Ein Lehrling, Maurer oder Kanalbauer vielleicht. Die Adern ziehen sich wie dicke Würmer unter der Haut. Die Arbeit dieser Hände muss anstrengend sein. Ihre Adern scheinen zu pochen. Wie eine stumme Anklage des Schlafenden.

Beginn der Lichtspiele. Köpfe aus aller Welt reisen an, um für zehn Tage bunte Leinwände, Glitzermenschen und schließlich sich selbst anzuglotzen. Viele von ihnen nennen das Arbeit und werden die Bedingungen beklagen, lange Wartezeiten, schmerzende Augen, Langeweile. Sie werden kritikastern und das zur Veröffentlichung um die ganze Welt schicken. Sie werden sich mit den Spielereien menschlichen Geistes und künstlicher Eitelkeiten beschäftigen, sich davon wie Parasiten nähren und danach die Sekundär- und Tertiärprodukte künstlerisch Impotenter ausscheiden. Und dann werden sie wieder fahren. Die Schläfer mit den anklagenden Händen aber werden bleiben.

Mittwoch, 30. Januar 2008

Dilbert (I)

“Irrelevanz feiert Triumphe”, hieß es über die "Strahlungen" und das in ihnen gefeierte Genießertum. Siegreich ist das Prinzip ebenso in der Welt von Zahlen und Leistungen. Die Führung des Unternehmens beschließt ein Projekt. Es ist eine Nachahmung dutzender, schon bestehender Angebote. In diesem Fall nicht einmal die Variation des Bestehenden, die zumindest den Anschein des Neuen erweckte.

Auf operativer Ebene folgt die Erschaffung nutzloser, kopierter und lediglich aus juristischen Gründen umformulierter Informationen. Dazu normierte Bildchen, aus Kostengründen solche mit großzügigen Urheberrechten. Fertig ist das dürftige Mäntelchen für rein kommerzielle Interessen. Ergebnis: Werte geschaffen, aber die Anlagen zu Wertvollerem verraten.

Dienstag, 29. Januar 2008

Hundsseelen

Massachusetts, 1907. Der Arzt Duncan MacDougall will das Gewicht der Seele bestimmen. Er lässt dazu die Betten Sterbender an Waagen hängen. Die festgestellten Gewichtsverluste unmittelbar nach dem Tod der Patienten variieren. Bei fünfzehn verendenden Hunden dagegen verzeichnet die Waage keine Veränderung.

Duncans Versuch erwuchs aus einer alten Tradition. Die Ägypter glaubten, dass das Herz der Toten vor dem Eintritt ins Totenreich gewogen würde. Wurde das Herz von den Totenrichtern gewogen und für zu leicht befunden, wurde es Ammut ("Fresserin der verurteilten Seelen") zum Frass vorgeworfen.

21 Gramm - darauf bemaß Duncan das Gewicht der Seele. Doch wogen alle Seelen der Patienten unterschiedlich viel; 21 war die bedeutungsvollere Zahl. Vielleicht hat die Seele kein festes Gewicht. Wie wirkt sich ihr Alter aus? Gleicht die Seele der Totgeburt derjenigen der Greisin? Verliert oder gewinnt die Seele im Verlauf eines Lebens Gewicht? Und was ist, wenn die Seele in mehr als einem Körper wohnte?

Vielleicht wiegt eine Seele so und so viel Gramm, die man tatsächlich messen könnte. Was wäre mit dieser Aussage gewonnen? Die Einsicht, dass sie um so viel weniger wiegt als das Leben? Weniger als Eigentumswohnungen, viele Jahre unter Schleifenden und Geschliffenen oder die flüchtigen Augenblicke von Unachtsamkeit? Auf einer solchen Waage werden auch zwei Seelen nicht bestehen können.

Wie so oft liegt der Fehler in der Grundannahme. Warum sollte die Seele materiell sein und ein Gewicht haben? Am Ende sind MacDougalls fünfzehn Hunde zu beneiden. Ihnen konnte er nichts abringen, ihre Seelen lassen sich nicht aufwiegen. - "'Tod oder Freiheit' soll auf unserem Grabstein stehen."

Dienstag, 8. Januar 2008

Sonnenaufgang

"Gerade geht die Sonne weiter auf. Ich schaue auf die grauen Wolken, die in ihrer Nähe golden werden, das feine Geflecht der Äste, das sich vor ihr abzeichnet, die schwarzen Vögel, die friedlich darauf hocken. Dann ein Satz, den ich gestern las: "Bei guter Sonne lasse ich Seifenblasen über den Garten und seine Blumen schweben: sie sind das Sinnbild des Vergänglichen. Und sie sind schön." Und während ich das schreibe, haben sich die grauen Wolken vor die Sonne geschoben und ist nur noch ein Schimmer am Horizont zu erkennen."