Ein weiterer Friedhof: Hamlet Towers im East End. Auf dem Weg Begegnung mit einer gedrungenen Gestalt. Verwilderter Blick, lautes Selbst- gespräch, abstoßende Aura; könnte einem „Lehrbuch“ Lombrosos entsprungen sein. Ist oft in solchen Stadtteilen zu finden, die dem Verdauungstrakt des Körpers gleichkommen. Das East End ist allerdings nicht mehr das, was es einst war. Im Zuge der kosmetischen Arbeiten für die Olympischen Spiele 2012 wird es zu einem Multi-Kulti-Erlebnisviertel gemodelt.
Hamlet Towers ist ein einfacher Friedhof. Es gibt kaum Standbilder, was nicht weiter verwundert: Welcher Viktorianer wäre denn schon freiwillig in das East End gegangen, um seiner Toten zu gedenken? Immerhin ist hier die Grenze zwischen Friedhof und Wildpark fast aufgehoben. Große Teile verwildert, die Gräber eingeebnet oder von Wurzelgeflecht und Erde umschlossen.
Später Imperial War Museum. Ein Kriegsmuseum, in dem die Zerstörungsmittel mit dem Gestus des Liebhabers vorgestellt werden („bestes Geschütz des Zweiten Weltkrieges“, „gutes Handling“). Abscheu und Neugier zugleich.
Vor einem der Panzer die Ahnung, welchen Mut es zum Angriff bedurfte. Der Blick in einen dieser Stahlkolosse kehrt die Perspektive um: nach einem Treffer wurde der Tank zu einem Grill. Der Diarist hat beschrieben, wie an dem ausgebrannten Inneren eines getroffenen Panzers das Fleisch klebte.
Im gleichen Haus befindet sich eine Holocaust-Ausstellung. Substanziell dominiert sie das Kriegsmuseum. Ein Gang durch die geschickt inszenierten Räume lässt die hiesige Begeisterung für das Kriegsspielzeug vergessen: Man kämpfte auf der einzig richtigen Seite, da sind Stolz und Heroismus erlaubt. Am Ausgang der Ausstellung das erste Mal Ekel, Deutsch zu sprechen.
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Ellis, Less than zero: Für ein Erstlingswerk gut. Besitzt aber bereits die Schwäche, die American Psycho auszeichnen wird: Redundante Belanglosigkeit. Das ist das Dilemma dessen, der Nihilismus darstellen will. Stark wird das Büchlein auf den letzten Seiten: Päderasten, Sadisten, Junkies – man legt es angeekelt beiseite. Handwerklich eine bemerkenswerte Leistung.